REACH steht für Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of CHemicals. Es handelt sich um eine Verordnung, die von der EU-Kommission erlassen wurde. Ihr Ziel ist es, die Gesundheit und das Wohlbefinden der EU-Bürger zu schützen. REACH umfasst alle Bereiche, die mit Chemikalien zu tun haben, wie Kleidung, Möbel, Kosmetika, Reinigungsmittel und mit der neuesten Erweiterung auch die für uns wichtigen Tattoofarben.
Bisher waren die Vorschriften für Tattoofarben auf Länderebene geregelt. In Deutschland zum Beispiel galten sieben verschiedene Verordnungen gleichzeitig. In anderen EU-Ländern waren die Vorschriften wiederum unterschiedlich. Da dies zu Chaos und Ungleichheit führte, wurde der Wunsch nach einer zentralen, für alle EU-Länder gültigen Regelung geäußert und die Aufnahme von Tätowierfarben in REACH ist das Ergebnis.
Die Entwicklung der Verordnung hatte bereits 2008 begonnen und das Thema mit den drohenden Verboten für verschiedene Stoffe ist daher alles andere als neu! Auch wurde die Verordnung, die derzeit für viel Unmut in der Tattoo-Szene sorgt, bereits am 4. Dezember 2020 beschlossen.
Das Ende der Farben oder nur eine Phase?
Was ist die ECHA und was hat sie mit REACH zu tun?
Innerhalb der EU wird REACH von der ECHA (European CHemical Agency) umgesetzt. Sie leitet geeignete Maßnahmen ab, wie das Verbot bestimmter Stoffe oder die Festlegung von Grenzwerten, und setzt diese per Gesetz um.
Hersteller, die Produkte auf den europäischen Markt bringen, die chemische Inhaltsstoffe enthalten, müssen sich bei der ECHA registrieren lassen und genaue Informationen über diese Inhaltsstoffe bereitstellen. Die ECHA prüft, bewertet und entscheidet, ob das jeweilige Produkt alle REACH-Anforderungen erfüllt. Das jeweilige Land, in dem der Hersteller ansässig ist, prüft ebenfalls. Die Bewertung wird also zum einen von der ECHA und zum anderen vom Herstellerland übernommen.
In Deutschland beispielsweise wurden seit 2008 über 3000 Hersteller mit über 12.000 Stoffen und 28.000 zugehörigen Registrierungsvorgängen nach REACH bearbeitet. Weiterhin ist zu beachten, dass die ECHA nicht befugt ist, selbst Studien zu potenziell risikobehafteten Stoffen durchzuführen. Die Studien werden von dritten Institutionen durchgeführt: dem Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) und dem Ausschuss für sozioökonomische Analyse (SEAC). Diese Ausschüsse setzen sich aus Mitgliedern aus verschiedenen EU-Ländern zusammen und werden für drei Jahre gewählt.
Was genau wird nun verboten?!
Insgesamt möchte die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) etwa 4000 Inhaltsstoffe verbieten oder stark reglementieren, so dass eine Verwendung in Tätowier- und Permanent-Make-up-Farben praktisch unmöglich ist. Auch zwei sehr wichtige Pigmente (Blue 15 und Green 7), die als Grundstoff für viele bunte Tattoofarben dienen, sollen verboten werden. Aber es geht nicht darum, an dieser Stelle direkt den absolutistischen Mythos "Alle Farben werden verboten" aufzulösen.
Für uns Tätowierer gibt es derzeit zwei wichtige Stichtage:
04.01.2022 - ab diesem Datum sind verschiedene Inhaltsstoffe (wie z.B. viele Konservierungsstoffe) komplett verboten oder stark reguliert. Januar 2023 - ab diesem Datum sind die Pigmente Blue 15 und Green 7 verboten, die Bestandteil vieler Tattoofarben sind.
Außerdem sollen in Zukunft auch generell ALLE Konservierungsstoffe aus Tattoofarben verschwinden. Viele Schwarztöne wie auch das von mir verwendete Stupid Black von Silverback Ink enthalten solche Stoffe. Hierdurch ist der Mythos entstanden, dass auch schwarze Töne generell verboten sind. Dass dies nicht der Fall ist, zeigt schon die Tatsache, dass es bereits zwei Hersteller gibt, die Reach-konforme Tinten produzieren.
"IamInk" ein Hersteller aus Österreich, der bereits seit ein paar Jahren auf dem Markt ist und schwarze, sowie weiße Tätowiertinte ganz ohne Acyralteoder Konservierungsmittel produziert.
Die deutsche Firma Edding, die auch die ersten Farbtöne Reachkonform produziert hat. Allerdings werden diese noch nicht von der Firma verkauft, was den Mythos Edding stecke hinter dem Ganzen, ein Marktmonopol zu schaffen, unnötig machen soll.
Produktabbildung der IamInk-Tinte Quelle: IamInk (https://www.ftwiamink.com/)
Weiterhin hat Dipl. Ing. Ing. Michael Dirks im Livestream "Mythen und Bullshit zu REACH" darauf hingewiesen, dass Tinten (insbesondere Schwarz) ohne Konservierungsstoffe machbar sind (was der Hersteller IamInk bereits bewiesen hat) und dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis andere Hersteller nachziehen werden. An dieser Stelle sollte man bedenken, dass einige Farben nun auch erstmals verboten sind, nur weil sie eben die genannten Konservierungsstoffe enthalten. Aufgrund der Übergangsfrist für die blauen und grünen Pigmente bis 2023 könnte es theoretisch möglich sein, ALLE Farben im Jahr 2022 weiter zu verwenden. Dies hängt letztlich von den Farbherstellern ab.
Verboten sind also nur bestimmte Stoffe in Farben, aber NICHT das Tätowieren insgesamt!
Gerade von den großen Herstellern gibt es bisher leider nur sehr wenige REACH-konforme Farben. Nachdem nun klar ist, dass sich an der Verordnung selbst vorerst nichts ändern wird und die Änderung bald in Kraft treten wird, stehen alle Hersteller unter Druck. Wenn sie nicht ab 2022 konforme Farben anbieten, wird der Absatz in der EU komplett einbrechen, was zu massiven Umsatzeinbußen führen würde. Der Handlungsdruck ist also jetzt sehr hoch und es ist zu erwarten, dass bald mehr Hersteller REACH-konforme Farben produzieren und verkaufen werden.
Denn in der Wirtschaft reguliert sich ein freier Markt immer selbst. Das bedeutet, dass sich einige Hersteller aus dem Markt zurückziehen, neue auftauchen oder bestehende vorpreschen können. Es geht IMMER weiter - nur anders und anders ist halt immer blöd, weil wir meistens wollen, dass sich nichts ändert.
Gilt die neue Verordnung auch in der Schweiz und/oder in Großbritannien?
Nein! Die aktuelle Verordnung gilt nur für Europa, was die Schweiz und das Vereinigte Königreich nicht einschließt. Allerdings wird REACH auch für das Vereinigte Königreich gelten, und zwar per UK REACH. Die Schweiz wird höchstwahrscheinlich in naher Zukunft nachziehen. Zumindest vorläufig wird also in der Schweiz und im Vereinigten Königreich auch nach dem 4.1.2022 wie gewohnt weiter tätowiert.
Wenn so viele Stoffe verboten sind - sind dann die aktuellen Farben giftig?
Das eigentliche gesundheitsgefährdende Problem entsteht erst, wenn Tattoos gelasert werden. Denn dann würden die Farbpigmente zerstört, in kleinere Nanopartikel zerlegt und dann vom Körper über das Lymphsystem abgebaut. Das Verbot und die festgelegten Obergrenzen von Stoffen in der neuen REACH-Verordnung in Bezug auf Tätowierfarben beruhen auf durchgeführten Studien. Diese haben jedoch nur eine MÖGLICHE gesundheitliche Beeinträchtigung durch verschiedene Stoffe, die in Tätowierfarben verwendet werden, gezeigt. Möglich heißt, aber nicht wirklich bewiesen, was das Paradoxe an der ganzen Geschichte ist und warum unter anderem die Petition "Save the Pigments" ins Leben gerufen wurde. Die Studie verweist auf "mehr als 1000 Fälle von chronischen allergischen Reaktionen und verschiedenen anderen Hautreaktionen und ernsten Reaktionen, die durch Tätowierungen und Permanent Make-up jährlich verursacht werden" (Tattoo Panel) - und das bei Millionen von gestochenen Tattoos pro Jahr. Die Beweislage scheint mehr als dünn zu sein, weshalb bereits angekündigt wurde, dass gegen die neue Verordnung diverse rechtliche Schritte eingeleitet werden, sobald sie in Kraft tritt (mehr zum Thema selbstregulierende Märkte und rechtliche Schritte ist in der Stellungnahme des BVT zu lesen).